Fachartikel | Stimmstark in jeder Situation

Wie Sie Ihre Stimme bei Kunden, Kollegen und Mitarbeitern wirkungsvoll einsetzen

Wir alle hatten mindestens einen Lehrer in unserer Schulzeit, der durch eine ungewöhnliche Sprechweise aufgefallen ist. Ich kann mich noch sehr gut an unseren Geschichtslehrer in der Unterstufe erinnern. Wir haben angefangen, Strichlisten zu führen, wie oft er mitten im Satz die Luft mit Speichel durch die Zähne ziehen wird. Irgendwann haben wir es aufgegeben. Fachlich war sein Unterricht aber so interessant, dass ich später Geschichte als Leistungskurs belegte. Wir Schüler konnten ihm kaum sagen, dass er diese Angewohnheit hatte, die doch sehr vom Inhalt ablenkte.

Wer aber hätte es ihm sagen können? Leider haben Lehrer und Pfarrer heute selten Sprecherziehung im Studium, was früher selbstverständlich zum Curriculum zählte. Aber es ist nicht alles früher besser gewesen. Immerhin dürfen heute Schüler schon Referate halten, was bei mir erst in der Universität der Fall war. Das Sprechen vor Publikum fällt aber nicht jedem leicht. Entweder weil z.B. schon in der Familie wenig Zeit zum Sprechen war der weil der natürliche Instinkt in einer „Einer-gegenviele-Situation“ Alarm meldet.

Sich überwinden lernen

Das wird im Seminar sehr schnell sichtbar und hörbar. Da schließlich aber jeder mehr oder weniger zu sprechen gelernt hat, widmet man sich kaum noch dem Umstand, dass es auch Situationen gibt, in denen man sich dabei unwohl fühlt. Gründe können Lampenfieber oder Heiserkeit sein oder dass manchmal die rechten Worte fehlen. Oder es gibt Rückmeldungen der Mitmenschen: „Sprechen Sie bitte etwas lauter!“ Dann kann man ja wenigstens zum Mikro- oder Megaphon greifen, aber was, wenn die Leute einen missverstehen, Gefühle zu scharf oder zu schwach zum Ausdruck gebracht werden, der Inhalt der Rede nicht ankommt – kurz, keine Klarheit herrscht?

Aus gutem Grunde kostet es manchen Überwindung, an der Stimme und dem Sprechen zu arbeiten. Die Stimme spiegelt die Person, deren Befindlichkeit und eben auch Meinung wider. Genau wie bei der Körpersprache lesen wir in der Stimme unsere Mitmenschen und machen uns ein Bild: „Ist der oder die vertrauenswürdig? Ist das, was sie oder er sagt, im wahrsten Sinne des Wortes stimmig?“ In der japanischen Sprache gibt es deshalb sehr dezidierte Ausdrucksformen für Status und Geschlecht der Sprechenden.

„Du“ oder „Sie“?

Ich denke, wir haben im Deutschen auch Differenzierungsmöglichkeiten durch Stimmklang, Wortwahl und Betonung. Sprachbewusstsein wünschen sich Sprachkritiker und Sprachstillehrer aus gutem Grund – wie oft wird so „dahergequasselt“. Ein Beispiel: Menschen, die sich noch nie begegnet sind, siezen sich normalerweise in Deutschland. Wie oft hört man aber den Anderen Dinge sagen wie: „Bei Firma Müller bekommst DU jetzt Ersatzteile zum halben Preis.“ Ein implizierter Anglizismus durchbricht hier die höfliche Sie-Form und schafft plötzlich eine quasi familiäre Vertrautheit. Das kann ein Vorteil für das Gespräch sein, es kann aber auch zu Irritationen führen, ob das DU denn jetzt damit eingeführt sei. Ein zu steifer Verkäuferton schreckt uns heute eher ab, ein vertrauensseliges DU lässt mich jedoch als Kundin unter 14 Jahre alt werden und ich fühle mich damit nicht mehr ernst genommen.

Persönliche Eigenheiten prägen die Stimme

Abgesehen von der Wortwahl haben wir aber auch Codes in der Stimmlage – und am interessantesten sind die ganz persönlichen Eigenheiten, die uns zu dem machen, was wir sind – oder eben auch wie bei dem eingangs erwähnten Geschichtslehrer störend wirken können.

Wo können wir zu unserer Sprechweise Rückmeldungen bekommen? Wir bekommen sie jeden Tag in jeder Sprechsituation – daran gemessen, ob wir das Gefühl haben, dass unsere Mitmenschen uns verstehen und uns zuhören, sogar auf uns hören. Wenn die Kommunikation im Großen und Ganzen gelingt, ist alles in Ordnung. Dennoch ist das eine lebenslange Baustelle – es gibt Situationen, in denen wir an unserer Stimme arbeiten wollen. Dazu muss ja nicht mal ein pathologischer Befund vorliegen. Vielleicht sind wir älter geworden und wollen eine seriöse Gesellschaftsrolle einnehmen. Aber es betrifft auch Azubis und junge Mitarbeiter. Kennen Sie die Gestelztheit, mit der junge Kellnerinnen manchmal piepsen, ob wir noch etwas zu trinken möchten? Zugegeben, es ist ja auch gar nicht so einfach, zeitgemäß und dennoch höflich Kunden zu betreuen.

Es gibt sicherlich viele schwierige Situationen, die sprecherisch zu meistern sind. Zum Beispiel wollen Sie Ihren Chef um eine Gehaltserhöhung bitten. Oder Sie als Chef müssen sich von einem Mitarbeiter trennen.

Sie können sich dann noch so sehr an den Inhalt klammern – was nützt das, wenn Ihnen die Gefühle ein ängstliches Zittern in die Stimme legen und Ihr Herzpochen schon im Vorzimmer zu hören ist?

Die Stimme als Anker

Ein Anker kann Ihre Stimme sein, wenn Sie sie bewusst wahrnehmen und steuern. Das funktioniert über physiologisches Wissen, Köperempfindungen und auch über Bilder.
Bleiben wir beim oben genannten Beispiel: Sie wissen, was Sie sagen wollen, aber Sie wissen nicht wie und spüren Ihre Aufregung. Nun benennen Sie innerlich die Vorgänge: Aha, meine Hände sind kalt und feucht, mein Herz schlägt stark, ich kann mich nicht gut konzentrieren, mir ist schlecht in der Magengegend, ich fange an zu zittern usw. Jetzt rufen Sie sich die Körperempfindungen ins Gedächtnis, die in kraftvollen Situationen vorherrschen: Ruhige Atmung, gute Durchblutung, maßvoller Herzschlag, klare Gedanken oder sogar keine Gedanken usw. Dann wenden Sie Ihr Wissen an: Die Stimmlippen brauchen eine aufrechte, kraftvoll-lockere Körperhaltung und eine solide Luftzufuhr, die Stimmlage sollte im unteren Drittel ihres Gesamtstimmumfangs klingen, wenn Sie sachlich wirken wollen. Als Ihr persönliches Hörschema haben Sie vielleicht einmal das Bild eines schützenden Torwächters oder Ihres Lieblingsnachrichtensprechers gefunden. Sie hören innerlich Ihre ruhige Stimme, spüren den entspannten Körper und schon kommt Ihr Gesprächspartner. Sie wissen: Sie wollen das Richtige tun, tun es und wissen auch danach, dass es richtig war. Ihre Mitteilung kommt an, Sie fühlen sich selbst wohl, der andere fühlt sich zwar vielleicht in der Sache irritiert, aber nicht als Person in Frage gestellt.

Warm-up-Programm bei Präsentationen

Bevor die Grundlagen einer ökonomischen Stimmführung verinnerlicht sind, aber auch bei herausfordernden Stimmaufgaben wie einer Präsentation ist ein kleines Warm-up-Programm immer sinnvoll: Der aufgerichtete, in guter Verfassung befindliche Körper ermöglicht einen freien Atem und somit auch eine freie Stimmgebung. Daher beginnt jedes Warm-up mit lockernden Körperübungen: Schütteln Sie Arme und Beine oder auch am Platz stehend den ganzen Körper mit kleinen Bewegungen. Schütteln Sie Ihre Aufregung und Anspannung regelrecht weg. Danach tonisieren Sie sich mit einem Strecken in alle Richtungen. Bei unterspannten Menschen verhelfen z. B. Boxbewegungen mit Armen und Beinen zu mehr Tonus. Alles, was auch sonst dem schreibtischgeplagten Körper gut tut, ist hier hilfreich. Klingt Ihre Stimme eher dünn und tonlos, visualisieren Sie den Raum einmal als Schuhkarton. Stellen Sie sich vor Ihrem inneren Auge die Ecken und vor allem auch hinteren Wände vor. Nur diesen Raum müssen Sie stimmlich füllen, nicht mehr, nicht weniger. Stellen Sie sich vor, der Raum hätte glatte Wände wie ein Badezimmer, lauschen Sie auf ein imanginäres Echo. Vielleicht fällt es Ihnen nun leichter, die Atemräume so einzustellen, dass Ihre Stimme ganz locker in Schwingung kommt, ohne zu pressen oder höher zu werden. Sprechen Sie in der Stimmlage, in der Sie Ihre Stimme auch innerlich hören, wenn Sie in Ruhe und besonnen über etwas nachdenken. Erlauben Sie sich aber auch, Ihren ganz persönlichen Humor und Ihre Phantasie durchschimmern zu lassen. Dann fühlen Sie sich auch selbst wohl. Und Ihre Stimme erzeugt eine wohlklingende Verbindung zum Zuhörer.

Unser Angebot zum Thema:  „Der Ton macht die Musik – Wie Sie Ihre Stimme bei Kunden, Kollegen und Mitarbeitern wirkungsvoll einsetzen“

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